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„Roter Treff“: Rathaus hat Konfliktmanagement nötig

05.8.2011 - Harald Kraus

 

Der Bürgermeister und die Beigeordneten der Stadt Eislingen sollten sich schnellstens auf ein professionelles Konfliktmanagement, notfalls mit externe Hilfe, verständigen. Dies ist das Resümee, das sich nach dem „Roten Treff“ der Eislinger SPD am Donnerstagabend im „Grünen Baum“ ziehen läßt.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung gefolgt, zur Situation in der Eislinger Rathausspitze Informationen zu erhalten und ihre Meinung zu sagen. Davon wurde reichlich Gebrauch gemacht, überwiegend sehr sachlich, stellenweise aber auch sehr leidenschaftlich. Die Argumente wogten hin und her.
In seiner Einführung stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Ritz klar, dass bei dem bekannt gewordenen und dem Beigeordneten Herbert Fitterling gemachten Vorwurf „von Betrug nicht die Rede“ sein könne. Allerdings, so Ritz, „hat er gegenüber dem Gemeinderat tatsächlich die Unwahr-heit gesagt“. „Der Vorgang ist von der NWZ unvertretbar aufgebauscht worden“, fügte er hinzu. Der Gemeinderat habe sich darauf verständigt, in der Sache absolute Vertraulichkeit zu wahren und das Ergebnis der Kommunalaufsicht des Landkreises abzuwarten.
Ritz bezeichnete es als unverständlich, dass die Verwaltungsspitze „nicht frühzeitig miteinander gesprochen hat, zumal sie in den nächsten fünf Jahren doch miteinander arbeiten“ müsste. Er widersprach auch dem Zeitungsbericht, wonach der Gemeinderat einhellig der Auffassung gewesen sei, „Fitterling müsse gehen“.
Licht in das Dunkel des Vorgangs mit der Kreiselkunst auf dem Rondell in der Ulmer Straße kam allerdings nicht, was die Besucher überwiegend bedauerten und für die „Geheimniskrämerei“ kein Verständnis aufbrachten. So verwunderte es nicht, dass Vermutungen laut wurden, dass weitere Vorgänge unter der Decke schwelen könnten. Dazu wollten die anwesenden Stadträte allerdings mit Verweis auf die Nichtöffentlichkeit keine Aussagen machen.
Heftig umstritten war die Frage, ob für die Kunst auf dem Kreisel der enorme Betrag von voraus-sichtlich über 100000 Euro ausgegeben werden dürfe. Warum Fitterling den Gemeinderat nicht ordentlich informierte, blieb auch beim „Roten Treff“ völlig unklar und alle Redner betonten, dass er keine persönliche Bereicherung versucht habe, sondern nach seinen Aussagen „lediglich das Projekt nicht platzen lassen wollte“. Als Profi in der Kommunalverwaltung hätte er aber wissen müssen, so mehrere Diskussionsredner, dass sein Verhalten beanstandungswürdig wäre und ihn persönlich in eine problematische Situation bringen würde. „Offenbar hatte er einen richtigen Blackout“ lautete eine der noch wohlwollenden Kritiken.
In der Diskussion wurde nicht nur die Summe, die für die Kreiselkunst ausgegeben werden soll, scharf kritisiert, sondern auch die Aussagekraft und Bedeutung des beabsichtigten Kunstwerks in Frage gestellt. Ein älterer Mitbürger erzählte von der Reaktion seines Enkels, der nach Anschauung des Fotos in der Zeitung gesagt habe: „Opa, die spinnen“.
Bemerkenswert fand ein anderer Diskutant, dass zu den in der NWZ gebrachten Zitaten des Bürgermeisters von diesem keine Richtigstellung erfolgt sei. Wenn er die Aussage „betrogen und gelogen“ tatsächlich gemacht hätte, müsste er sich fragen lassen, ob dies der richtige Umgang mit einem beamteten Kollegen auf der Führungsebene gewesen sei und auf nicht ausreichende Sozialkompetenz schließen lasse.
„Wie soll Fitterling in Zukunft noch glaubwürdig Gespräche und Verhandlungen führen, wenn er in der Zeitung so abgeschlachtet wurde?“, fragte ein Bürger und schlussfolgerte, dass der Vorgang zwangsläufig zu einem brisanten Vertrauensverlust in Fitterling führen würde. Eine Eislingerin fand, dass die Berichterstattung geradezu abstoßend gewesen sei und sich die NWZ-Redaktion fragen lassen müsse, ob sie fair und objektiv mit dem Sachverhalt umgegangen sei. Auf die Frage an eine anwesende NWZ-Redakteurin, woher sie denn die Information aus der nichtöffentlichen Sitzung erhalten habe, verwies diese auf den Informantenschutz und darauf, dass sie „hier nicht zur Diskussion sondern zwecks Berichterstattung anwesend“ sei.
Das in der NWZ erschienene Zitat des Bürgermeisters wurde mehrfach kritisiert und die Frage aufgeworfen, ob denn er selbst der Informant der NWZ gewesen sein könnte. Dazu erklärte Peter Ritz: „Wenn dies zutreffen würde, müsste nicht Fitterling sondern Heininger gehen. Er betonte jedoch ausdrücklich, dass er nicht davon ausgehe, dass Heininger Informationen durchgestochen habe.
Immer wieder wechselten sich in der Diskussion die Kreiselkunst als solche und die damit verbun-dene vermeintliche Affäre ab. Die Skulpturen an sich wurden in Frage gestellt und mehr Blumen und Pflanzen in den Kreisverkehren gefordert. Dazu sagte Peter Ritz, dass unter dem Strich die Pflege von Blumenrabatten und Pflanzanlagen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum genauso teuer kämen wie eine pflegeleichte Skulptur, die überdies das Ansehen Eislingens in kunstinteressierten Kreisen mehre und der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal geben könne. Eine Bürgerin fand „die Kunst im Hallenbad unmöglich – da gehen bei mir die Lichter aus“.
Die Kritik an Bürgermeister Heininger und seinem Beigeordneten Fitterling hielt sich in etwa die Waage, doch die NWZ bekam immer wieder ihr Fett ab. Sie suche zwanghaft nach vermeintlichen Affären und haue die Leute unberechtigt „in die Pfanne“. Das stieß jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung, die Kritiker der NWZ machten es sich mit ihrer Presseschelte zu einfach, aber „eine Nummer kleiner hätte auch gereicht“.
Stadtrat Manfred Strohm (CDU) meinte, „ein Beigeordneter muss sich mit anderen Maßstäben messen lassen als ein Amtsbote“. Es handele sich um eine schwere Verfehlung des Finanz-dezernenten, da beiße keine Maus den Faden ab. Peter Ritz erwiderte, in der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats sei dezidiert festgestellt worden, dass sich Herbert Fitterling nicht persönlich bereichert habe. Dennoch fanden es mehrere Besucher der SPD „unmöglich, dass er im Gemeinderat nicht die Wahrheit gesagt hat“. Strohm konterte, Fitterling habe „wohl mit gezinkten Karten gespielt“. Dennoch sei es richtig und notwendig, dass der Gemeinderat sich vorerst weiterhin bedeckt halte und das eingeleitete Disziplinarverfahren abwarte. Aus seiner Sicht, so Strohm, könne er als Gemeinderat Fitterling nicht mehr vertrauen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Amtes erginge es wohl ähnlich. Wer für einen Haushalt von 50 Millionen Euro verantwortlich ist, darf sich eine solche Geschichte nicht leisten“, so Strohm weiter.
„Ist das nur die Spitze eines Eisberges?“, wollte ein Teilnehmer wissen. Die Stadträte antworteten, dies sei reine Spekulation. Überraschend kam auch zutage, dass es auch in der Zusammenarbeit zwischen dem Bürgermeister und dem weiteren Beigeordneten Schuster „kräftig im Gebälk knirschen soll“. „Auch hier läuft es nicht wie im Kugellager“ wollte ein Bürger erfahren haben.
Aus der entstandenen Gemengenlage schloss ein Gast der SPD-Veranstaltung, dass er „den Eindruck habe, dass das Wahlergebnis immer noch nicht akzeptiert werde und quasi Nachhutgefechte geführt würden. Es sei ihm aufgefallen, so der Bürger, dass der Technische Beigeordnete Schuster beim letzten Forum zur Stadtentwicklung eine gegensätzliche Meinung zu Bürgermeister Heininger vertreten habe. „Können die Herren sich denn nicht vorher abstimmen?“ lautete die Frage. „In unserer Stadtverwaltung ist offenkundig Sand im Getriebe. Wer es da hineingeschüttet hat, muss damit unbedingt aufhören“, lautete die Forderung des besorgten Bürgers. Es wurde vermutet, „dass statt sachlicher Zusammenarbeit persönliche Aversionen überwiegen“.
Dann brandete nochmals Kritik an dem Rathauschef auf, der, sei es wie es wolle, mit seinen Äußerungen nicht fair gehandelt habe und damit „den Skandal mit verursacht“ habe. Andererseits sei nicht nachvollziehbar, so hieß es in der weiteren Diskussion, dass das Argument Fitterlings, er habe doch nur das Kunstwerk retten wollen, nicht nachvollziehbar sei, da es schließlich nicht um die Durchsetzung persönlicher Interessen sondern um jene der Stadt gehe. „Und das hätte er doch wissen müssen und ist unentschuldbar“ – so das Urteil eines Gastes. In einem solchen Zusammen-hang sei Tricksen und Täuschen verpönt und nicht im Sinne der Stadt. Dazu erklärte Stadtrat Strohm, das unterstellte Motiv sei dennoch unhaltbar. In der Privatwirtschaft hätte Fitterling bei einem solchen Sachverhalt unbedingt „den Schreibtisch räumen müssen. Zumindest in der Kommunikation hat Fitterling tatsächlich betrogen und gelogen.“ Im Übrigen werde nirgendwo in anderen Haushalts-titeln wegen der Kreiselkunst etwas gestrichen.
Peter Ritz beanstandete, dass der Künstler Schwegler unverdient in die Affäre hineingezogen worden sei. Er, Ritz propagierte die Idee, zur Finanzierung von Eislinger Kreiselkunst zu Spenden aufzurufen, was einen Besucher zum Zwischenruf „Die Stadt ist doch kein Wohlfahrtsverband!“ veranlasste. „Warum brauchen wir Schwegler?“ wollte ein Teilnehmer wissen und erfuhr, dass summa summa-rum ohnehin mit über 100000 Euro gerechnet werden müsse.
Es war auffällig und wohltuend, dass auf jede Frage aus dem Teilnehmerkreis eine Antwort gegeben oder zumindest versucht wurde und die Sozialdemokraten damit feststellen konnten, dass sie mit dem Thema ihrer Veranstaltung „ins Schwarze getroffen“ hatten und dem Informationsbedürfnis in der Bevölkerung nachgekommen sind. Natürlich schlossen sich nach dem offiziellen Teil noch weitere heiße Diskussionen an, die durchweg zeigten, dass den Eislingerinnen und Eislingern nicht egal ist, was sich im Rathaus und drumherum ereignet. Sie wollen jedenfalls künftig früher, besser und um-fassend informiert werden, um sich ein objektives Bild machen zu können.

Großes Interesse, auch von den Medien, beim RotenTreff