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DRUCKANSICHT

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Stele für Nobelpreisträger für Literatur Thomas Tranströmer

Eislinger Poetenweg dank Sponsoren um eine Stele erweitert

19.12.2011 - Hans-Ulrich Weidmann

 

Er war auch in der Planung, aber erst der diesjährige Nobelpreis für Literatur an Thomas Tanströmer gab den Anstoß den Eislinger Poetenweg um eine Stele zu erweitern. Dank Sponsoren konnte am Brunnen vor der Volksbank eine weitere Stele aufgestellt werden, deren Enthüllung mit einem kleinen schwedischen Buffet in der Stadtbücherei gefeiert wurde. Helén Meyer-Keller stellte nicht nur die schwedischen Spezialitäten zur Verfügung, sondern präsentierte in Zusammenwirken mit Tina Stroheker die Tranströmer-Gedichte in Schwedisch.

Hier der Text der Einweihung, der uns dankenswerterweise von Tina Stroheker zur Verfügung gestellt wurde:

Liebe Anwesende, liebe Freundinnen und Freunde der Poesie,
ich freue mich sehr, daß Sie gekommen sind und der Kälte trotzen – für die Poesie und für den großartigen und liebenswerten Dichter Tomas Tranströmer aus Schweden!

Viele von Ihnen haben gewiß noch die leider viel zu spärlichen Bilder von der gestrigen Nobelpreisverleihung in Stockholm vor Augen, wir hören noch den Beifall für TT, wir ‚freuen uns nach’ – und geben heute in Eislingen ein Echo.

Aber zuerst ein Blick zurück.

Daß Literatur und Kaffeehäuser bzw. Gasthäuser zusammengehören, ja, manche Autoren besonders gut an solch öffentlichen Orten arbeiten, ist bekannt. Es hätte also ein Kaffeehaus sein können, aber es war der „Adler“, in dem die Idee zur 22. Stele geboren wurde – an einem heiteren Oktoberabend, einen Tag nach der Bekanntgabe, daß TT mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet werden soll. Jemand bedauerte, daß wir keine Stele mit einem Tranströmer-Gedicht hätten … Schweigen … Danach gab ein Wort das andere, fröhliche Erregung ergriff die Leute am Tisch, die Gesichter verrieten eine fast spitzbübische Freude – „yes, we can!“ Und, Sie sehen, haben vielleicht in den letzten Tagen schon gesehen:

Die Stele steht!
Noch ist sie verhüllt, aber ich verrate Ihnen schon einmal, daß der Eislinger Poetenweg um ein ‚Mutmachgedicht’ reicher geworden ist. TT, der auch Psychologe ist - Seelenarzt sagte man früher manchmal - liebt die Menschen, und er schaut genau hin, auf Leid u n d auf Hoffnung. Der Dichter, ein Mann des Wortes, der seit einem Schlaganfall 1990 so gut wie nicht mehr sprechen kann, kennt beides, Hoffnung u n d Leid. Nur so können solche Gedichte entstehen wie das auf unserer Stele.

Als Kuratorin des Poetenweges, als Bürgerin dieser Stadt, als bewundernde Kollegin von TT danke ich den Förderern der Idee einer 22. Stele, den Sponsoren und allen, die geholfen haben, daß wir diese Stele enthüllen können, nicht zuletzt dem Bauhof, von ganzem Herzen. Auch TT’s deutscher Verlag, der Hanser Verlag in München, wünscht uns „viel Erfolg bei der Enthüllung“, sein Übersetzer Hanns Grössel grüßt aus Köln und gratuliert. Dichter, die auf einer der Stelen einen Text haben, grüßen – stellvertretend nenne ich Zsuzsanna Gahse aus Müllheim im Argau, die Sie von der „Nacht der Poetinnen“ kennen: „Über die Tranströmer-Stele und die Feier für ihn freue ich mich sehr, sehr. Am liebsten würde ich mich zu Euch hinüberbeamen!“

Wir wissen uns in dieser Stunde verbunden mit allen Menschen in der Welt, für die Gedichte Lebensmittel sind, ohne die sie nicht sein mögen. So ‚schreiten wir also zur Tat’!

Enthüllung

Ich danke!
Und nun also das ‚Mutmachgedicht’. Es spricht von uns Menschen, wie wir sind und wie wir schon immer waren: Mit Ängsten und Nöten, aber auch mit der Fähigkeit zur Stärke, zur Kreativität, d.h. zur Hoffnung, zu Individualität und Gemeinschaft, uns bewegend zwischen Himmel und Erde durch die Zeit, die uns gegeben ist.

Der halbfertige Himmel

Die Mutlosigkeit unterbricht ihren Lauf.
Die Angst unterbricht ihren Lauf.
Der Geier unterbricht seinen Flug.

Das eifrige Licht fließt hervor,
sogar die Gespenster nehmen einen Schluck.

Und unsre Malereien kommen zutage,
die roten Tiere unsrer Eiszeitateliers.

Alles beginnt sich umzublicken.
Wir gehn in der Sonne zu Hunderten.

Jeder Mensch eine halboffne Tür,
die in ein Zimmer für alle führt.

Der unendliche Boden unter uns.

Das Wasser leuchtet zwischen den Bäumen.

Der Binnensee ist ein Fenster zur Erde.


Helén Meyer-Keller, eine Stockholmerin in Süßen, liest es nun im Original.


V.l.: Tina Stroheker, Helén Meyer-Keller, Ute Schwendemann

Laura-Marie Matizke am Klavier