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DRUCKANSICHT

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Ein Organist auf Abwegen

Konzert mit Klemens Schnorr in der Christuskirche Eislingen

03.6.2015 - Christuskirche

 

Durchgängig mied der Organist Klemens Schnorr bei seinem Konzert in der Eislinger Christuskirche am 31. Mai 2015 die gewohnten Pfade. Der Blick aufs Programm bot selbst erfahrenen Konzertbesuchern mindestens vier Unbekannte: Sigismund von Neukomm, Eugène Reuchsel, Edwin Lemare und Gatty Sellars bedurften deshalb einer kurzen Einführung des Ausführenden.
„Tonmalerei und Klanggemälde“ betitelte dieser seine Orgelrevue und eröffnete mit Georg Friedrich Händels Orgelkonzert „Der Kuckuck und die Nachtigall“. Die Bearbeitung des für Orgel und Streicher gesetzten Stückes schuf Klemens Schnorr sich selbst und trug sie mit gewählter, klarer Artikulation vor. Um es gleich zu sagen: die Frage nach den technischen Qualitäten seines Spiels stellt sich bei Klemens Schnorr nicht. Der Mann kann. Da sind aber über sein perfektes Musizieren hinaus die Farben, die Register, die Klangmischungen. Die muss einer zuerst den Werken enthören und sie dann vom Instrument her wieder ausdenken. Hier also das eigentliche Faszinosum des Konzertes: die vielen Farbphantasien auf der Eislinger Christuskirchen-Orgel.
Einen ersten Eindruck gab Klemens Schnorr mit Olivier Messiaens „Chants d’Oiseaux“, dem metaphysischen Nachmittagsgesang der von der Natur abgelauschten Vogelstimmen.
Sigismund von Neukomm, der erste Unbekannte, war Salzburger und Mozart-Zeitgenosse, lebte allerdings ins 19. Jahrhundert hinein, stilistisch Klassik und Romantik verbindend. Zu hören gab es eine programmatische Fantasie: Alphörner blasen am Bergsee, ein kleines Orchester spielt auf, Sturm und Gewitter brechen herein. Zuletzt, nachdem beide sich verzogen, beenden Orchester und Alphörner ihre Musik friedlich. Ein Ding, gemischt aus Variationselementen und freien Abschnitten voller Kontraste, für eine Orgel wie ein Orchester, raffiniert instrumentiert und registriert.
Von Eugène Reuchsel folgten zwei Bilder aus dem Zyklus „Promenades en Provence“. Der Lyoneser Reuchsel lebte im 20. Jahrhundert, schrieb in impressionistisch-tonaler Sprache und gab erneut verblüffend abwechselnde, schillernde, schnarrende, metallisch-flötende und von hellem Glanz erfüllte Klänge zu hören, die der Eislinger Orgel wie von leichter Hand entströmten.
Dann Edwin Lamare, etwas älter als Reuchsel, mit einem „Chanson d’été“, einem kleinen dreiteiligen Sommerlied also, im Charakter eines Operettenliedchens der zwanziger Jahre.
Und zum Schluss noch einmal Alles: vom geschlossenen Schwellwerk bis zum Aufbrausen des vollen Werkes in einem neuerlichen Sturm. Gatty Sellars, ebenfalls um die Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebend. „An ocean tempest“ mit zwei eingewobenen Hilf- und Dankchorälen.

Zur Beruhigung, so Klemens Schnorr, gab er ein „Cantabile“ zu, - veritable Classic-Lounge – und die Transkription eines launigen Klavierwalzers von Dimitri Schostakowitsch.
Alles an diesem frühen Abend so gekonnt Registrierte und Vorgetragene wird man wohl so bald nicht mehr zu hören bekommen, es sei denn, man reiste diesem Organisten hinterher, - auf Nebenwegen.

M.K.O.

Klemens Schnorr an der Christuskirchen-Orgel