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Orgelinteresse jenseits der Landesgrenzen

Orgelerkundungsfahrt der Christuskirche Eislingen 1.-6.9.2016

17.9.2016 - Christuskirche

 

Nach intensiven Vorinformationen im heimischen Eislingen machten sich 14 Orgelbegeisterte aus Eislingen und Umgebung frühmorgens am 1. September auf die Bahnreise nach Düsseldorf, Köln und Mainz, um daselbst bedeutsame Königinnen der Instrumente zu hören und zu sehen.

Die Reise führte zunächst nach Düsseldorf, wo während der ersten drei Reisetage sechs Kirchen und deren Orgeln besucht wurden. Zunächst stand in der Kirche St. Peter in Düsseldorf die im Jahr 2001 erbaute Orgel mit ihren 57 Registern aus dem Hause Karl Göckel (Epfenbach bei Heidelberg) im Mittelpunkt des Interesses. Organist Herren schilderte der Orgelreisegruppe die bewegte Orgelgeschichte. bis hin zur dreimanualigen Orgel, die im symphonisch-französischen Stil eingerichtet wurde. Vorbild war die große Orgel von St. Clotilde in Paris. Es war schon ein kleines „Fest für die Sinne“, als Alexander Herren improvisierte Variationen über „Nun danket alle Gott“ auf der „schönsten Orgel, die seit langem im Rheinland gebaut wurde“ (Musikredakteur Wolfgang Goertz) erklingen ließ.

Es folgte die 1970 nach langer Planung erbaute große Orgel von Johannes Klais (Bonn) mit 57 Registern auf vier Manualen in der Kirche Franziskus Xaverius, Düsseldorf-Morsenbroich. Professor Odilo Klasen erläuterte dieses Instrument, dem eine „europäische Klangsynthese“ zugrunde liegt und spielte Johann Sebastian Bach’s große fünfstimmige Triplefuge in Es-Dur.

Nun ging es weiter zur viermanualigen, nach norddeutschem Vorbild von Rudolf von Beckerath aus Hamburg 1953/54 erbauten und 2001 von der Erbauerfirma überholten Orgel in der evangelischen Johanneskirche in Düsseldorf. Das Instrument wurde vorzüglich erläutert von Kantor Wolfgang Abendroth, das große Es-Dur-Präludium von Johann Sebastian Bach meisterlich auf dem viermanualigen Hauptspieltisch spielte.

Sodann besuchten wir die katholische Kirche St. Maximilian, heute meist Maxkirche genannt, eine spätbarocke Kirche, die aus einem 1804 aufgehobenen Franziskanerkloster hervorging. Die Orgel wurde ebenfalls von der Firma Orgelbau Klais aus Bonn erbaut. Das Schleifladen-Instrument verfügt über 39 Register, verteilt auf 3 Manuale und Pedal (Stimmung: Neidhardt III – „für eine große Stadt“ –, A = 440 Hz). Das Instrument wurde am 11. Dezember 2011 eingeweiht. Es verfügt als Besonderheit über zwei Keilbälge, die mechanisch mit Wind versorgt werden können.
Die Orgelbegeisterten konnten von Markus Belmann in einer Register- und Literaturvorführung die „Vater-Unser-Variationen“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy hören.
Im Gegensatz dazu führte uns „Maxkantor“ Markus Belmann noch das beeindruckende, zweimanualige, englische spätbarocke Instrument von Samuel Green vor. Es erklingt heute in der nahe der Maxkirche gelegenen barocken Josephs-Kapelle in der Düsseldorfer Altstadt. Ursprünglich wurde es im Jahr 1795 für die Kapelle der St. Mary’s Church in Chatham gebaut als Instrument ohne Pedal mit Diskant-Baß-Teilung.
Weiter führte uns unsere Reise zur ehemalig reformierten Neanderkirche, ebenfalls mitten in die Düsseldorfer Altstadt. In Zusammenarbeit mit dem Luxemburger Arzt und Organologen Dr. Hubert Meyers wurde hier eine besondere Orgel verwirklicht: ein Instrument der „europäischen Synthese“, das Modell für eine ganze Generation Orgeln werden sollte. Sie wurde 1965 von der Orgelbaufirma Rieger, Schwarzach, unter der Leitung von Josef von Glatter-Goetz erbaut.
Zahlreiche Uraufführungen für dieses Instrument, Orgelkonzerte mit illustren Gästen und nicht zuletzt die Sommerlichen Orgelkonzerte des evangelischen Kantorenkonvents, Düsseldorfs erfolgreichste Orgelkonzertreihe mit bis zu 500 Besuchern, zeugen von der Ausstrahlung dieser außergewöhnlichen Orgel. Freundlich wurden wir von Organist Sebastian Klein begrüßt, der uns zunächst über die Baugeschichte erzählte, sodann die verschiedenen Registergruppen von Flötenregistern bis zu Zungenregistern einschließlich Horizontaltrompeten improvisierend vorstellte, von piano bis fortissimo und wieder zurück.
Zum Rahmenprogramm in Düsseldorf gehörte die Fahrt mit einem Schiff der „Weißen Flotte“ rheinabwärts bis Kaiserswerth, Düsseldorfs nördlichster Stadtteil. Rund um den Klemensplatz liegt der malerische Ortskern mit Barockhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Direkt am Rheinufer erhebt sich die malerische Ruine der staufischen „Kaiserpfalz“ des sagenumwobenen Kaisers Friedrich Barbarossa.. Sehenswert ist zudem die St. Suitbertus Basilika am Stiftsplatz, eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika mit vergoldetem Schrein für die Gebeine des Heiligen Suitbertus.

Am Samstagabend führte uns dann der Weg zum Kölner Dom und das lang ersehnte Ziel kam nun endlich vor unsere Augen und Ohren:
Der Kölner Dom mit seinen zwei großen Orgeln, eine davon – im Langschiff –eine Hängeorgel. Am späten Abend wurden wir von Professor Winfried Bönig freundlich empfangen. Im nur wenig beleuchteten Dom waren wir die einzigen Gäste, die Atmosphäre war unbeschreiblich geheimnisvoll und würdig. Beide Orgeln stammen, wie uns Professor Bönig erläuterte, aus dem Hause Orgelbau (Johannes, dann Hans Gerd und letztlich Philipp) Klais (Bonn). Natürlich beeindruckte uns die Äußerung Prof. Bönigs, dass bei „seinen“ Orgel-Instrumenten es verschiedene Winddrucke gibt (von 90 bis 700 Wassersäule). Eine Besichtigung des mächtigen, viermanualigen Spieltisches - allein er ist ein Wunderwerk – war auch möglich, nachdem Prof. Bönig meisterlich improvisiert hatte, um die reichhaltige Klangpalette beider Orgeln vorzustellen, Orgelfreunde von nah und fern können die Instrumente beim 57. Zyklus 2017 der „Orgelfeierstunden“ erleben können (www.koelner-dommusik.de).

Sonntags besuchten wir den Mittagsgottesdienst in St. Peter zu Köln. Die Kirche wird von Jesuiten geleitet. Sie ist die Taufkirche von Peter Paul Rubens und beherbergt u. a. ein Gemälde des Künstlers (Die Kreuzigung Petri – 1638). Unsere Gruppe konnte im gottesdienstlichen Orgelspiel das Besonders-Klangliche der Instrumente in St. Peter erahnen. Neben z. B. Prinzipalien: Flöten- und Zungenregistern und einer stattlichen „Trompeteria“ können zahlreiche Klangeffektregister zum Klingen gebracht werden (z.B. „Silberklang“, „Bronceton“, „rotierende Cymbeln“).
Der Kantor und Organist von St. Peter, Tobias Hagedorn führte uns mit seinen Improvisationen durch die für dreiklangs- und melodiegewohnte Ohren und Klangempfindungen recht ungewöhnliche zeitgenössische Klang- aber auch Geräuschwelt. Er lud uns zum Abschluss dieser aus dem Rahmen fallenden Orgelerkundung auf die Nordempore ein. So zeigte er, wie er die Windzufuhr drosseln oder die „Cymbeln“ in vier Stufen auf- oder abbauen kann. Natürlich folgten noch etliche weitere „musikalische“ Geräusch- und Klangphänomene, welche der Haupt- und Chororgel mit ihrem viermanualigen Spieltisch (alles in der Orgelbauwerkstatt Willy Peter, Köln, erbaut) innewohnen. Tobias Hagedornerzählte, dass Peter Bares (Organist, Komponist und Orgelplaner) maßgeblich mit seinen Vorstellungen von Neuer Musik die Erweiterung der Orgel bestimmte.
Nachdenklich gestimmt wurden die Reiseteilnehmer durch eine Kunst- Installation von Achim Freyer, mit verkohlten (Oliven-) Baumstämmen auf dem Boden und im Kirchenschiff der St. Peters-Kirche hängend. Diese soll auf die Gefährdung der Schöpfung aufmerksam machen, in der Mitte vor dem Altar mit Baumstücken, den gekreuzigten Christus symbolisierend.
Unser nächster Besucht galt der Kirche St. Aposteln in Köln (eine der zwölf großen romanischen Innenstadtkirchen in Köln). Wir wurden von Basilikakantor Vincent Heitzer willkommen geheißen. Nach knappen Sätzen zur Baugeschichte des Gotteshauses nahmen wir zunächst die Chororgel von 1989 in „Ohrenschein“, die schon mit ihren zwölf klingenden Registern sieben „Wechselschleifen“ hat. Somit ist das Instrument sehr vielfältig einsetzbar in musikalischen Abläufen, auch zur Begleitung von (kleinerem) Chor oder der Schola. Das Besondere ist, dass die Chororgel um 110º drehbar ist!
Auch die Geschichte der „großen Orgeln“ in St. Aposteln ist sehr wechselhaft, wie uns Basilikakantor Heitzer schilderte. Die Hauptorgel (Fischer und Krämer Orgelbau), besticht mit vier Manualen und 80 Registern. Sie wurde von 20 Jahren eingeweiht. Alle Orgelreiseteilnehmer waren sehr beeindruckt von Vincent Heitzers genialer Improvisation im Stil einer französischen Toccata (19. Jahrhundert), in welcher er alle Registergruppen hervorragend zur Geltung brachte.

Die Reise führte uns weiter nach Mainz, wo wir die Kirche St. Stephan aufsuchten. Einerseits folgten wir in der Kirche einem sachkundigen Vortrag von Pfarrgemeinderat Siegfried Kirsch über die weithin berühmten Fenster des weißrussisch-französischen Malers und Glaskünstlers Marc Chagall – ihrerseits Beitrag zur jüdisch-deutschen Aussöhnung.
Andererseits schilderte uns Hans Gilbert Ottersbach die bewegte Geschichte und den langen Weg zur großen dreimanualigen Klais-Orgel, die im Jahre 2012 eingebaut wurde. Die mit großer Meisterschaft vom Hauptorganisten Ottersbach vorgetragenen Orgelstücke waren u.a. „Wohl mir, dass ich Jesum habe“ von Johann Sebastian Bach, die „Festfanfare“ in D-Dur von Paul Damjakob und zwei „Impressionen zu den mittleren Chorfenstern (in St. Stephan) von Marc Chagall“ von Markus Hollingshaus aus dem heimischen Rheingau,

Ein Spaziergang zum Mainzer Dom (mit Besichtigung) und anschließend das Flanieren entlang des Rheinufers rundeten diesen Tag in Mainz ab und es ging anschließend wieder auf den Heimweg nach Eislingen.

Als abschließende Würdigung zum Thema Orgelreise zu den Königinnen der Instrumente kann man durchaus sagen, dass alle Teilnehmer von der Orgel-Trilogie Düsseldorf-Köln-Mainz doch sehr beeindruckt waren. Die Breite und Dichte großartiger Instrumente in diesem Raum hat uns überrascht und die vielfältige Orgellandschaft kam durch die besuchten Orte und Instrumente hervorragend zum Ausdruck.

Der beste Dank aller Teilnehmer galt den beiden Organisatoren Ingrid Sing und Ulrich Lauterbach für die detaillierte und gute Vorbereitung, Planung und Durchführung dieser Reise.
(Fotos: Ingrid Sing und Ulrich Lauterbach)

Eckhart Naumann
14.09.2016

Die Orgelreisegruppe vor dem Kölner Dom

Professor Wolfgang Bönig an der Orgel im Kölner Dom

Die Düssel lädt ein zur Fahrt auf dem Rhein

Die Evangelische Johanneskirche am Martin-Luther-Platz in Düsseldorf

Gemütlich geht es nach Kaiserswerth

Die berühmten Chagall-Fenster in der St. Stephans-Kirche zu Mainz