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Orgelmusik zum Stummfilm

Ein außergewöhnliches Film-Musik-Kirchen-Erlebnis am Sonntag, 03.02.2019

08.2.2019 - Christuskirche

 

Vergangenen Sonntagabend begrüßte Pfarrer Frieder Dehlinger in der Eislinger Christuskirche einen wahren Meister seines Fachs, den Kustos der historischen Holzhey-Orgel des Münsters Obermarchtal, Gregor Simon. Ein ungewöhnliches Programm erwartete die zahlreichen Besucher-/innen: Der Stummfilm „Our hospitality“ von und mit Buster Keaton (aus dem Jahre 1923) mit begleitender Orgelimprovisation.

Der Film spielt im Amerika anfangs des 19. Jahrhunderts. Zwischen den Familien McKay und Canfield herrscht seit langem eine Blutfehde. Eines Nachts erschießen sich der Vater des einjährigen William McKay sowie der verfeindete James Canfield gegenseitig. Nach dem tragischen Tod seines Vaters wächst William bei einer Tante im damals noch provinziellen New York auf. Nach seiner Volljährigkeit wird ihm der Landbesitz seines Vaters übertragen und voller Vorfreude macht er sich auf den Weg, sein Erbe anzutreten. Auf der abenteuerlichen Reise mit der Eisenbahn mit ihren fantasievollen Waggons lernt er Virginia Canfield kennen und verliebt sich in sie, ohne zu wissen, dass sie die Nichte des Kontrahenten seines Vaters ist. Sie lädt ihn in das Haus ihrer Familie ein. Doch Virginias Brüder sinnen noch immer auf Rache und trachten ihm nach dem Leben. Ihre Mordversuche werden allerdings vom traditionellen Gesetz der Gastfreundschaft gebremst, denn solange William das Haus nicht verlässt, darf er nicht angegriffen werden. William bleibt deshalb tagelang bei ihnen. So können ihn die Canfield-Brüder nicht erschießen. Nach haarsträubenden Gefahren und abenteuerlichen Verfolgungsjagden rettet er Virginia an einem Wasserfall das Leben. Die Fehde wird mit der Heirat der beiden beendet, die Kontrahenten legen schließlich die Waffen beiseite, und versöhnen sich.

Der aufmerksame Konzert- und Filmbesucher konnte von Beginn an feststellen, dass Gregor Simon auf’s Allerbeste in freier Weise, jedoch immer nah am dramatischen filmischen Geschehen musizierte. Die deutsche Übersetzung des amerikanischen Filmtitels „Die verflixte Gastfreundschaft“ ließ das Publikum erahnen, dass in diesem nicht alltäglichen Film eine sich stetig steigernde Dynamik steckt. Laut Aussage des Künstlers Gregor Simon sind zwei Elemente bei der Vorbereitung einer solchen Aufführung unabdingbar: zum Einen beste Kenntnis des Films durch mehrfaches Anschauen, zum Anderen profundes Wissen der Disposition, wie im vorliegenden Fall der historischen Link-Mühleisen-Orgel. Eingangs, aber auch mehrfach an anderen Stellen des Filmes waren friedvolle Bildabläufe zu sehen, die jedoch auch humoristische Passagen beinhalten, die sich sehr gut musikalisch wiederspiegelten. Entsprechend konnte man durch Gregor Simons Orgelspiel zarte bis mittellaute Melodiken und Passagen hören, die der Künstler mit ungewöhnlichen Harmoniefolgen unterlegte, z.B. die recht abenteuerliche Zugfahrt vom damals noch provinziellen New York gen Westen. Der Orgelkünstler Simon konnte die Filmpassagen, die sich in der Dramatik steigerten (Szenen im wilden Fluss bis zum Wasserfall) mit seiner hervorragenden Spieltechnik und Musikalität sowie differenzierter Registrierungsauswahl hervorragend interpretieren. Angesichts der Länge des Films – 75 Minuten- eine bewundernswerte Konzentrations- und Interpretationsleistung des Künstlers Gregor Simon. Dazuhin konnte seine facettenreiche Improvisationskunst – durch herzlichen Beifall bestätigt –in vielfältigster Weise an diesem Abend voll als einmaliges Seh- und Hörerlebnis genossen werden. Möge dies noch lange nachklingen!

Eckhart Naumann

Familienidylle im "Wilden Westen"