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DRUCKANSICHT

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Die Ampelfrauen sind in Eislingen angekommen

Stadtverwaltung unterstützt EfA

20.9.2020 - redaktion pr

 

Am vergangenen Samstag sind die beiden Ampeln mit Ampelfrauen in einer feinen Feier offiziell eröffnet worden. OB Heininger stellte die Ampelfrauen in eine Reihe mit Städten wie Mainz(elmännchen)und Trier (Karl Marx). EfA-Vorsitzende Gönül Neuen erzählte den Ablauf der Gespräche mit der Stadtverwaltung ('Offene Türen eingerannt!')und dankte allen EfA-Frauen für Ihre Mithilfe, die sehr vielfältig gezeigt wurde: Briefmarken, T-Shirts, Cupcakes, Gesichtsmasken mit dem neuen Ampelfrauenstempel, usw. OB Heininger und Frau Dürner bekamen die ersten Ampelfrauen-Briefmarken als Geschenk überreicht. EfA-Mitglied Tina Stroheker sprach über 'Kleine Zeichen, große Zeichen', den Umgang mit dem Thema Frauen (siehe unten).


Tina Stroheker

Kleine Zeichen, große Zeichen.

Ansprache zur Übergabe der Eislinger Fußgängerampeln mit Frauen-Symbolen
Samstag, 19. September 2020, 11 Uhr
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Lieber Herr Heininger,
liebe Frau Dürner,
liebe Gäste!

Die Stadt Eislingen hat, auf efas Anregung hin, ein Zeichen gesetzt. Dies sieht man an zwei Fußgänger*innen-Ampelanlagen: Da sind Frauen drauf. Das ist neu! Das ist herzerfrischend! Und fröhlich – also locker bleiben, besonders alle, die sich doch irgendwie daran stören: unbedingt locker bleiben! Efa, 25 Jahre jung (wobei es auch keine Schande ist, lieber NWZ-Provinz-Notizen-Schreiber, „in die Jahre gekommen“ zu sein!) efa jedenfalls kann sich nicht sattsehen an ihnen.

Und manchmal erfüllen sich Wünsche sogar schneller als erwartet: Zu unserer Überraschung waren die Ampelfrauen nämlich schon in der dritten Juniwoche plötzlich da. Obgleich das ‚Event‘ Corona-bedingt verschoben worden war. Eine Nacht-und-Nebel-Aktion?! Sind die ladies einfach losmarschiert? War ihnen der Geduldsfaden gerissen, und sie haben den Männern, die sie zu installieren hatten, Beine gemacht? Hatten sie genug von der Corona-, der Kronen-Krise, und sie sind, einen entsprechenden Satz im Kopf, aufgebrochen? Sie, liebe Gäste, kennen den Satz sicher, er ist ziemlich abgenutzt („Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen!“), aber abgewandelt paßt er trefflich: „Stillstehen, warten, mit Kappe, Kopftuch, Pudelmütze - und dann: losgehen!“

Selbstverständlich gibt es keine Krone auf dem Kopf der Ampelfrauen! Sie sind schließlich schlicht und einfach Repräsentantinnen aller Frauen (übrigens, falls das jemand zwischendurch vergessen haben sollte: der Hälfte der Menschheit!) Und die brauchen keine Kronen, die brauchen Rechte!

Wir sind uns gewiß einig: Gleiche Frauenrechte sind nicht nur im Interesse der Frauen, sondern im Interesse der gesamten Gesellschaft. Oder möchte jemand der Anwesenden in einem Land ohne Geschlechtergerechtigkeit leben? (Wobei mittlerweile der Begriff des ‚Geschlechts‘ ja geöffnet ist, Vielfalt mitdenken will!) Ja, wir brauchen Geschlechtergerechtigkeit! Und darum gibt’s eben noch viel zu tun. Darum wendet sich auch jede Aktion der eislinger frauen aktion an alle Eislingerinnen und Eislinger.

Wohlgemerkt: Uns efas ist klar, daß Frauen in Deutschland im Vergleich zu Frauen in vielen anderen Staaten insgesamt unter guten Bedingungen leben. Aber wir wissen auch: Was Frauenrechte betrifft, so tut Wachsamkeit immer und überall not, auch hier. (Denken Sie z.B. an die zunehmende und wirklich bedrohliche Hate Speech in den sog. Sozialen Medien, gerade gegenüber engagierten, selbstbewußten Frauen!) In diesem Land in unsere Stadt weibliche Ampelfiguren herzuholen, halten wir efas nicht etwa für eine emanzipatorische Großtat, es geht uns vielmehr um ein kleines, ein verspieltes, aber nicht unernstes Zeichen. (Nicht unernst: Wenn, wie kürzlich der SPIEGEL berichtete, Mumbai als erste Stadt in Indien 240 ihrer Ampelanlagen mit Frauensymbolen ausstattet, dann wird uns allen sofort klar, welch eine Power dieses Zeichen entwickeln kann!)

Betrachten wir es also genauer!
Zugegeben, die Frau dort droben ist arg klein: Weil sie sich die Scheibe mit einem Fahrrad teilen muß. Das soll uns nicht stören! Das Fahrrad war schließlich machtvolle Unterstützung der Frauenemanzipation. Beurteilte doch Anfang des letzten Jahrhunderts Mann das Radfahren als für Frauen unpassend, weil erstens ungesund (was mag da alles durchgeschüttelt werden?!) und zweitens unmoralisch (Frauen, gar in Hosen, auf einem Radl!). Im Grunde hielt Mann es für gefährlich, denn: Wollten die Weibspersonen, in die Pedale tretend, nicht letztlich den tradierten Geschlechterrollen davonfahren?
Doch zur Frauenfigur selbst. Graphisch ist sie kindlich-comichaft, eine spätgeborene Schwester des im Westen angekommenen DDR-Ampelmännchens. Aber man & Mann sollten sich nicht täuschen. Sie steht aufrecht da. Daß sie derzeit – wohl durch Trägheit und Ideenmangel in entsprechenden Designbüros - noch Zöpfe und Röckchen tragen muß, verkraftet sie fürs erste. Da wird sich langfristig noch etwas ändern! Für jetzt aber ist klar, vom Fünfzigerjahre-Look läßt sie sich nicht aufhalten. Sie weiß, sie steht als Zeichen für etwas. Das Stutzen, das sie bei Leuten provoziert, die sie zum ersten Mal wahrnehmen, bestätigt es: Selbstverständlich ist eine Ampelfrau eben noch nicht!
Ampelfrauen wollen eine nonverbale, freundliche Einladung zum Nachdenken sein. Dieses ist allemal hilfreicher als selbstherrliches Witzeln, welches ja nur von einem zeugt, von der alten Unlust, ja Weigerung, patriarchalische Gewohnheiten kritisch anzuschauen. Die kleine Frau dort oben erinnert daran, daß alle großen Veränderungen von Gesellschaften aus einem geistigen Prozeß hervorgehen, dieser aber Wirklichkeit nur durch einzelne, konkrete Schritte werden kann. Insofern sind auch Ampelfrauen Wegweiserinnen, winzige, unpathetische Gefährtinnen von Anja Luithles Wegweiserin im roten Kleid, bei der wir unser 20-jähriges Jubiläum eröffnet haben – Sie erinnern sich gewiß!

Liebe Gäste, wir leben in einer Zeit der Unruhe und des Aufbruchs - in allen Gesellschaften, in denen die Demokratie verteidigt und vertieft werden muß. Emanzipatorische Bewegungen erproben den Schulterschluß: antirassistische, klassenkritische, ökologische, feministische und Bewegungen gegen Homo- und Transphobie. Zu dieser bunten Farbpalette tragen die Ampelfrauen in Eislingen, das sich Stadt der Vielfalt nennt, ein rotes und ein grünes Farbtüpfelchen bei.

Zuletzt weise ich noch auf die ausgestreckten Arme unserer lady in red hin. „Na klar,“ scheint diese zu sagen, „versteht sich von selbst: Ich geh‘ jetzt einfach los!“ Und also wird es ernst: Gleich soll es Grün werden, und dann eilt die Kleene voran, mit rhythmisch unterstützenden Armen und wippenden Zöpfen – und wir werden sie mit den Augen und dem Herzen begleiten: Da eine Ampelphase genügen muß, weil die Straße nicht gesperrt werden kann, überqueren nur, stellvertretend für uns alle, der ‚Chef‘ von Eislingen und die ‚Chefin‘ von efa die Straße. Und wenn die beiden wieder zurückgekommen sind, wollen wir zusammen das Glas bzw. das Fläschchen erheben – auf die Ampelfrauen, auf Gerechtigkeit in der Welt!

Schaut - noch steht die Rote still. Scharrt sie nicht ein bißchen mit den Füßen?
Gleich geht’s los!

OB Heininger und EfA-Vorsitzende Gönül Neuer beschreiten den Überweg, Konfettiraketen begrüßen sie

Gönül Neuen spricht

nach OB Heininger

Tina Stroheker

Alle EfA-Frauen beim Gruppenfoto

MdB Leni Breymaier und OB Heininger unter den ZuhörerInnen

Das Konfetti war nicht so leicht wegzukriegen

Gönül Neuen übergibt OB Heininger die AmpelfrauenBriefmarken

Auch Frau Dürner bekommt die Briefmarken als Dank für ihre Unterstützung

Der Ampelfrauenstempel im Einsatz