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Meisterliche Orgelimprovisation in der Christuskirche Eislingen

Peter Schleicher aus Stuttgart begeistert mit seinem Spiel

18.2.2022 - Christuskirche

 

Freunde des Stummfilms und der Orgelmusik hatten sich vergangenen Sonntag, 13. Februar 2022, in der Eislinger Christuskirche eingefunden. Protagonist des Abends war Peter Schleicher, Dozent für Orgelimprovisation an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg und Kirchenmusiker an St. Elisabeth in Stuttgart.
Der Stummfilm „Der müde Tod“ mit u.a. Bernhard Goetzke, Lil Dagover und Walter Jansen unter der Regie von Fritz Lang aus dem Jahr 1921 erzählt die spannende Geschichte eines jungen Mädchens, das ihren Geliebten an den Tod verliert. Das junge Mädchen glaubt fest, dass Liebe stärker ist als der Tod, welcher fragt, ob sie den Kampf mit dem Höchsten aufnehmen will, um den Geliebten wieder zu bekommen. Dazu ist sie bereit. Der Tod führt sie in eine dunkle Halle, in der die Lebenslichter der Menschen brennen, flackern und dann erlöschen, wenn ihre Stunde gekommen ist. Der Tod erklärt ihr, dass er eigentlich des Tötens überdrüssig ist – doch da er Gott Folge leisten muss, kann er nicht anders. Trotzdem gibt er dem Mädchen eine Möglichkeit, ihren Bräutigam wiederzubekommen: Wenn sie eines von drei Leben retten kann, deren Lichter bereits flackern, soll sie ihn zurückerhalten.
Die dazu geschilderten drei Episoden sind orientalisch (Rache der Gläubigen), venezianisch (Mord auf dem Karneval) und chinesisch (kaiserlicher Tyrann). In allen drei Fällen versucht die junge Frau, ihren Geliebten zu retten, doch sie scheitert immer. Als letzte Chance bietet der Tod an, ihren Geliebten zurück ins Leben zu holen, indem sie ihm innerhalb einer Stunde ein anderes Leben bringt. Die junge Frau versucht Alte, Elende und Kranke zu überreden, aber keiner will ihr sein noch so erbärmliches Leben schenken. Zuletzt steht das Spital der Stadt in Flammen – die Bewohner flüchten. Doch ein Baby wurde zurückgelassen. Die Frau will das Baby retten und rennt in das brennende Spital. Dort bietet ihr der Tod die letzte Chance, indem sie das Kind dem Tod überlässt. Doch sie entscheidet sich anders, rettet das Kind und opfert sich für das Baby. Dadurch wird sie im eigenen Flammentod mit dem Geliebten vereint.
Neben dramatischen Orgelklängen, die Peter Schleicher, immer dicht am Filminhalt erklingen ließ, waren auch ruhigere Klangpassagen zu hören. In einer Filmszene, die kurz vor Mitternacht spielte, erklangen zur bekannten Nachtwächter-Melodie „Hört ihr Herrn und lasst Euch sagen“ gemächliche und rasche Klangfolgen. Gekonnt musizierte Schleicher - immer dicht am Filminhalt - orientalische Klangpassagen, z.B. beim „Tanz der Derwische“. Der Künstler zeigte hier seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in vielfältigster Weise mit blitzschnellen Registrierabläufen. Bei Filmszenen, die im Venedig der Renaissance spielten, ließ der Künstler P. Schleicher melodiehafte romantisierende Tonfolgen erklingen. Bei den karnevalistischen Filmpassagen, in denen sich ein Zweikampf entwickelt, ging es musikalisch mit vollen Orgelklängen zur Sache, die dann in zartere Klangwelten mündeten.
Die dritte Episode spielte filmisch im „Reich der Mitte“ und musikalisch meisterte Peter Schleicher die verschiedenen Szenen mit erstaunlichen „chinesisch-fernöstlichen“ Klängen. Beim Aufmarsch der Armee ließ er marschmäßige helle Klänge gepaart mit Posaunenfolgen erklingen, danach ertönten eher verhaltene Passagen in den weiteren Klangabläufen. Dramatisch-klanglich ging es dann bei den Szenen „Die Flucht“ und „Die Verfolger“ zu.
Der geniale Improvisator P. Schleicher gestaltete den Filminhalt in virtuoser Manier. Höchst dramatische Klangabläufe ertönten zum brennenden Spital, z.B. als das Mädchen versuchte, das Kind der Wöchnerin zu retten. Der Tod sagt dem Mädchen: „Ich will dich zu ihm führen, den du liebst“. Während es nun Mitternacht geworden ist, das dritte Kerzenlicht erlischt und der Tod mit dem jungen Paar am Horizont entschwindet, zaubert Peter Schleicher eine fast überirdische Klangwelt zum Ausklang eines bewegenden Vortrags.
Lang anhaltender Applaus des begeisterten Publikums für die wahrlich meisterhafte Improvisationskunst Peter Schleichers, die bei den Konzertbesuchern noch lange nachklingen wird. (Eckhart Naumann)

Peter Schleicher an der Christuskirchen-Orgel (Foto: I.Sing)