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Auch das Nirwana nicht ohne Kaffee

Kaffeehausliteratur mit Tina Stroheker und Gerd Kolter im Café 'Da Damiano'

30.11.2008 - Rainer Werner

 

Wie das? Kaffeehausliteratur in der Provinz? Eislingen das Berlin der Zwischenkriegszeit, aus dem Erich Kästner im Juli 1931 seiner Mutter schrieb, dass er gerade täglich im 'Leon' sitze und sich von der Sonne bescheinen lasse? Oder gar Wien, wo einst ganze Seilschaften literarischer Einzelkämpfer von Polgar über Werfel bis Hofmannsthal einen Großteil ihrer Abende im 'Herrenhof' oder im 'Central' verbrachten?
In den Metropolen gewachsene Traditionen - im Filstal zumindest ein versuchsweiser Einzelfall. Aber ein ausgesprochen gelungener. Und wer sonst als Tina Stroheker und Gerd Kolter könnten das Experiment gewagt haben, literarisch Feinsinniges bei Kaffee und Kuchen unter die Leute zu bringen?!
Kein passives Zuhören wie im Vortragssaal. Man führt genüsslich die Cappuccino-Schale zum Mund, während Peter Altenberg gerade das Kaffeehaus als letzten Ausweg vor dem Selbstmord entdeckt. Oder man versucht zu einem Aufruf zur Rettung bedrohter Kaffeehäuser mit dem etwas festen Randstück seines Apfelkuchenszurechtzukommen. Manches lenkt etwas ab, aber vieles passt genau hierher. Man spürt förmlich, wie einiges genau dort entstanden sein muss, wo es jetzt angeboten wird, nämlich mitten im wirklichen (Kaffeehaus-)Leben.

Wien als Zentrum

Natürlich steht Wien im Mittelpunkt, keine Frage. Die Stadt, in der es laut Otto Friedländer viele tausend Kaffeehaussüchtige gibt, weit mehr als Alkoholiker oder Morphinisten. Männer, die vor ihren Familien, ihren Frauen in ihren Klub fliehen, der sie weder durch Statuten und Affären, noch durch ein Ehrengericht einzuengen versucht. Auch wenn es heiß und rauchig ist, es zu Türen und Fenstern hereinzieht und die Sessel hart und unbequem sind.
Wem es um das Getränk Kaffee geht, dem eröffnet Friedrich Torberg die schier unerschöpfliche Palette von Möglichkeiten, wobei selbst die Gefäßformen eine Rolle spielen, in denen die zahllosen Sorten mit ihren Abwandlungen und Nuancierungen serviert werden. Der Kellner Hermann im 'Herrenhof' soll einst eine Lackierer-Farbskala bei sich getragen haben, aus der sich der Gast die Tönung seines 'Großen Braunen' aus zwanzig Abstufungen aussuchen konnte.
Vom 'Kaffeehaus als Wille und Vorstellung' schreibt Hans Weigel. Joseph Roth beobachtet die lautlosen Handbewegungen der hemdbrustblanken, scheitelglänzenden Cottage-Kellner, deren Finger auf Gummiabsätzen gehen'. Und Hermann Leopoldi kommt mit seinem 'Kleinen Café in Hernals' musikalisch zu Wort. Es geht um Stammplätze und Stammgäste (die ausschließlich vom Kellner ernannt werden, und das keinesfalls nur nach Berufsstand oder Trinkgeldhöhe), oder um die von Karl Kraus so bezeichnete 'nomadenhafte Häuslichkeit' des Kaffeehauses, ih der man zwar nicht zuhause, aber doch nicht an der frischen Luft ist.

Von Paris bis Berlin

Simone de Beauvoir und Ernest Hemingway führen in die Kaffeehausszene von Paris, Katrin Kremmler in die von Budapest, und Jaroslav Seifert, Karel Capek und Gerd Kolter (mit seinem Gedicht 'Grand Hotel Europa') nach Prag. Von Anton Kuh erfahren wir, dass er zunächst in Prag und Wien lebte, dann aber 1928 nach Berlin zog, weil er lieber 'in Berlin unter Wienern, statt in Wien unter Kremsern' leben wollte. In Berlin allerdings musste er zu Beginn der dreißiger Jahre die politische Blindheit miterleben und die braune Gefahr, die den Himmel über Deutschland verdüsterte und selbst Cafehäuser krank werden ließ. Jahre zuvor hatten sich die Literaten aus Deutschlands Metropole noch anders zu Wort gemeldet, wie Gedichte von Tucholsky, Kästner oder Benn belegten. Wolfgang Koeppens Text von 1965 eröffnete dagegen andere Perspektiven: 'Im Schatten des romanischen Hauses lag das 'Romanische Café' mit seiner Sommerterasse wie ein Schiff, verankert oder auf freier Fahrt, flott oder schon gestrandet, ein Leib aus Beton und die Maste aus Eisen, Ebbe und Flut des Geldes kam, Sturmflut der Not kam, die Armada der Automobile zog vorüber, ein Hurrikan zog auf und wuchs, Mond und Sterne der Kinoreklame gingen auf und unter.'

Zurück zum Ausgangspunkt

Mit Arik Brauers musikalischem Beitrag von der 'Jause' wurde noch einmal in Wien angeheuert, dem Ausgangspunkt dieser literarischen 'Kaffeefahrt', die über Torbergs 'Tante Jolesch' schließlich bei Ilse Aichinger im Fahrwasser unserer Tage endete. Von einem Freund des Schriftstellerphilosophen E.M. Cioran wusste sie zu berichten, für den das Kaffeetrinken der einzige Grund zu existieren war. 'Als ich eines Tages mit tremolierender Stimme den Buddhismus überschwänglich lobte, antwortete er mir: 'Das Nirwana ja, aber nicht ohne Kaffee!'

Viel Beifall für die Vortragenden, die sich aufgrund der unerwarteten Resonanz zu einer Zusatzvorstellung am 10.12. um 19.30 Uhr an gleicher Stelle entschlossen haben.
Rainer Werner

Reservierungen sind erforderlich. Tel. 07161/5045321

 

 

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