Mit Schwung in die 8. Mühlberger-Tage
Gleich drei Höhepunkte zum Auftakt in der Eislinger Stadtbücherei im Schloß
06.4.2009 - Rainer Werner
Zum Auftakt gleich ein Dreierpack: Mit Schwung ist der Kunstverein Eislingen in seine 8. Mühlberger-Tage gestartet und hat die zahlreichen Besucher damit gleich richtig auf das noch zu erwartende Programm eingestimmt. Eine Vernissage und zwei literarische Vorträge standen auf dem Programm. Tina Stroheker hat als versierte Lotsin für einen reibungslosen Ablauf gesorgt.
Der Eislinger Kunstverein läßt es sich nicht nehmen, in zweijährigem Turnus des Mannes zu gedenken, der dreißig Jahre in der Stadt gelebt und als Schriftsteller und Journalist auf sich aufmerksam gemacht hat. Vor allem hat sich der 1903 im sudetendeutschen Trautenau geborene Josef Mühlberger zeitlebens als Mittler zwischen Kulturen und als literarischer Grenzgänger verstanden, auch wenn ihm das sowohl auf tschechischer als auch auf deutscher Seite nicht nur Freunde gebracht hat.
Zum Auftakt zwei Künstlerinnen
106 Jahre alt wäre Mühlberger genau an dem Tag geworden, an dem zwei Frauen in einer Ausstellung auf ihre Art dem 'Zauberkreis' Gestalt zu geben versuchten, der Menschen in ihrem kulturellen Empfinden umschließt. Die Göppinger Künstlerin Monika Drach geht dabei in einer Installation der Frage nach, welche Bedeutung der Autor für die Menschen aus seinem früheren Umfeld hatte. Zwischen Zimmerlinden und ähnlich einladendem Grün (ein besonderes Dankeschön an Gärtnermeister Höfer!), wie es Mühlberger in seiner häuslichen Umgebung liebte, kann man dem Ergebnis in Form von Texten und Bildern-`-' nachspüren. Die heute in Australien lebende Brigitte Lambert hat sich nach einem Studium der Germanistik und Linguistik vor allem forschend mit der deutschen Sprache auseinandergesetzt, besonders vor dem Hintergund fremder kultureller Umgebungen. Sie läßt ihre dabei entwickelte Definition des Begriffes 'Heimat', die sogar verwandtschaftliche Beziehungen nach Eislingen einschließt, in dieses anschauliche Projekt einfließen.
Das Leben des Max Brod
Ganz dem literarischen Wort verpflichtet, hat sich der Berliner Professor Dr. Hans Dieter Zimmermann, in Eislingen ja längst kein Unbekannter mehr, mit dem Leben und Werk des Schriftstellers Max Brod beschäftigt, eines fast lebenslangen Freundes Josef Mühlbergers. Brod, der ein umfangreiches eigenes Werk geschaffen hat, in dem er sich mit Schnitzler oder Zweig vergleichen läßt, der aber auch anderen zum Durchbruch verholfen hat, nicht zuletzt Franz Kafka. Auch wenn er sich, wie wir wissen, damit persönlich keinen Gefallen getan hat. Denn während er den Kollegen in die Weltliteratur führte, ist sein eigener Ruf nach und nach hinter dessen Strahlkraft verblaßt.
Schon als Kind hatte Brod, entgegen manch anderslautender Darstellung, die schlechteren Karten gehabt. Während Kafka etwa ein hübscher gesunder Junge war, litt er selbst unter einer Rückgratverkrümmung, die ihn über viele Jahre in das Metallkorsett eines Schlossers zwang und ihm Hänseleien und Ausgrenzung einbrachte. Trotzdem hat er einen Optimismus entwickelt, der ihn später sogar zu einem ausgesprochenen Frauenliebling werden ließ, was Kafka nie gelang. Und Frauengestalten sind es auch, die sein Werk besonders auszeichnen, so wie er ganz allgemein mit Schilderungen aus seinem persönlichen Erfahrungsbereich am überzeugendsten wirkte.
Der studierte Jurist Max Brod ist vom Postangestellten zum Kulturredakteur des Prager Tagblatts aufgestiegen. Er hat im Literaturbetrieb seiner Zeit entscheidende Akzente gesetzt und Verbindungen hergestellt, er hat gefördert und unterstützt, und er ist ein typischer Vertreter der Prager Szene geworden wie etwa Franz Werfel und einige andere - nicht jedoch Franz Kafka.
Seinen 1911 erschienenen Roman 'Jüdin' hält Brod für das beste seiner etwa fünfzig Bücher, bereits als Frühstarter hatte er mit Novellen geglänzt. Er hat Leos Janaceks Libretti übersetzt und Robeat Walsee den Weg geebnet. Der Indifferentismus im philosophischen Umfeld Schopenhauers und Nietzsches hat ihn ebenso beeinflußt wie sein Verhältnis zum Zionismus. Erstaunlich, wie Professor Zimmermann, ein ausgesprochener Kenner der deutschsprachigen Literatur in Böhmen, dies alles seinem Publikum in einer Weise nahebringt, als spräche er über einen gemeinsamen guten Bekannten Entsprechender Beifall dankte ihm für seine Ausführungen.
Schriftwechsel zwischen Freunden
Die dazu passende Ergänzung war der abschließende Blick auf den Briefwechsel zwischen Brod und Mühlberger, der es innerhalb von 40 Jahren auf immerhin 140 Exemplare (ohne die vielen nicht mehr oder noch nicht gefundenen) gebracht hat. Allein zwischen 1948 und 1959 klafft eine komplette Lücke.
Dr. Susanne Lange-Greve aus Heubach, längst die Kennerin des Mühlberger'schen Nachlasses, _die auch bereits mit einigen Publikationen auf ihn aufmerksam gemacht hat, konnte anhand typischer Beispiele aufzeigen, wie sich zwischen beiden aus einer zunächst eher geschäftlichen Förmlichkeit eine menschliche Herzlichkeit entwickelte. Ab 1964 sagte man sich Du. Als 24-Jähriger war Mühlberger dem zwanzig Jahre Älteren zum ersten Mal begegnet, der ihn später als 'einen seiner liebsten Wegbegleiter' bezeichnen sollte. Sie waren Freunde geworden, die oft genug in ihrem Leben auf einander angewiesen sein sollten. Gedanken über die Literatur, gegenseitige Unterstützung und Beratung, das Besprechen politischer Situationen und menschlicher Probleme waren ihre wechselseitigen Themen.
Leider wissen wir nur, was sie sich geschrieben, nicht jedoch, was sie sich bei ihren vielen persönlichen Begegnungen (auch in Eislingen) zu sagen gehabt haben - besonders bei ihrem letzten Treffen kurz vor Brods Tod 1968 im Stuttgarter Hotel Herzog Christoph. Eines allerdings kennen wir, nämlich Max Brods schriftlich formulierten Wunsch: 'Könnten wir doch jeder 100 (1000?) Jahre alt werden!'
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 Professor Dr. Hans Dieter Zimmermann |  Dr. Susanne Lange-Greve | |
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